Mit der Bahn von Kiel nach Bad Endorf: da schadet es nicht, etwas mehr Zeit mitzubringen als im Fahrplan vorgesehen. Das gilt auch für Spitzenpolitiker: mit Verspätung begann der Vortrag des stellvertretenden SPD-Bundesvorsitzenden Ralf Stegner, der auf Einladung des SPD-Ortsvereins nach Bad Endorf gekommen war, um über Digitalisierung und die Zukunft des Sozialstaats zu diskutieren.
Ortsvereins-Vorsitzender Uwe Görlitz freute sich über das Interesse der zahlreichen Zuhörer. Aus seiner Sicht haben die jüngsten Vorschläge der SPD zu Arbeit und Rente endlich eine breite politische Debatte zu wichtigen Zukunftsthemen angestoßen.
Ralf Stegner trat in seinem Vortrag entschieden dafür ein, den Sozialstaat zu verteidigen und dabei nicht nur auf die Kosten zu schauen. Schließlich habe es die Politik selbst in der Hand, den Bedarf an staatlicher Unterstützung zu reduzieren, indem Menschen von ihrer Arbeit leben und eine anständige Rente aufbauen könnten.
Nur weil das derzeit vielen nicht gelinge, sei die Grundrente überhaupt erst erforderlich. Die Gesellschaft müsse die Arbeitsleistung der Menschen würdigen, weshalb eine Grundsicherung ohne Bedürftigkeitsprüfung unabdingbar sei. Auch das Kindergeld gebe es ja für alle, unabhängig vom Vermögen der Eltern. „Wir wollen, dass die Menschen von ihrer Arbeit leben können und staatliche Hilfen nur im Notfall benötigen“, unterstrich Stegner die SPD-Forderungen nach mehr Tarifbindung und einer Erhöhung des Mindestlohns. Auch müsse dieser europaweit gelten, um das Lohndumping mit ausländischen Arbeitskräften zu unterbinden. Die Digitalisierung biete Chancen auf neue, qualifizierte Arbeitsplätze, allerdings dürfe es nicht zur Vereinsamung und Ausbeutung der Menschen kommen. „Ungeregelte Arbeitszeiten und ständige Erreichbarkeit dürfen nicht das Ergebnis von Digitalisierung sein“, mahnte Stegner. Viele Berufe müssten endlich leistungsgerecht bezahlt und sozial abgesichert werden. „Pflegebedürftigkeit kann jeden treffen und die online bestellten Pakete will auch jeder haben“, warnte Stegner vor prekären Arbeitsbedingungen und dem damit verbundenen Fachkräftemangel.